Meine liebe Leserschaft, kommt mit mir auf eine Reise zurück in die Vergangenheit, nach Bad Ischl ins Herz vom Salzkammergut. Dort steht ein Bauwerk, das mehr ist als nur ein schönes altes Haus: die Kaiservilla. Für Kaiser Franz Joseph I. war sie nicht nur eine Sommerresidenz, sondern ein wirklicher Zufluchtsort, ein Platzl zum Durchschnaufen abseits vom strengen Wiener Hofzeremoniell. Bis heute ist die Villa im Besitz seiner Nachfahren, der Familie Habsburg-Lothringen, und wenn man durch die original erhaltenen Räume geht, bekommt man ein ganz besonderes Gefühl dafür, wie das Kaiserpaar privat gelebt hat. Ich finde es immer wieder faszinierend, wie dieser Ort Geschichte atmet und uns ein Fenster in eine vergangene Welt öffnet.
Vom Biedermeier zum kaiserlichen Sommersitz
Die Geschichte der Kaiservilla fängt eigentlich ganz unscheinbar an. Ursprünglich war es eine Biedermeier-Villa, die 1834 für den Wiener Notar Josef August Eltz erbaut wurde. Das war übrigens in einer Zeit, als Ischl gerade zum mondänen Kurort aufstieg, nachdem der Wiener Arzt Dr. Franz Wirer die Erkenntnisse von Dr. Josef Götz über die Heilkraft der Solebäder aufgegriffen hatte. Schon bald zog es hochgestellte Persönlichkeiten wie Staatskanzler Fürst Metternich hierher. Nach dem Notar Eltz erwarb der Arzt Eduard Mastalier das Anwesen, bevor 1853 Erzherzogin Sophie, die Mutter des jungen Kaisers Franz Joseph, zuschlug. Es war als Hochzeitsgeschenk für ihren Sohn und seine zukünftige Frau, die junge Elisabeth in Bayern – unsere spätere Sisi – gedacht. Die Erzherzogin war Ischl sehr verbunden, schließlich ist ihr Franz Joseph nach einer erfolgreichen Solekur hier quasi als „Salzprinz“ geboren worden, einer von vier Söhnen, die nach Kuraufenthalten zur Welt kamen. Gleich nach der Verlobung des Kaiserpaares, die 1853 in Ischl im heutigen Stadtmuseum gefeiert wurde, ließ die Erzherzogin die Villa kräftig umbauen und erweitern. Unter der Aufsicht des kunstsinnigen Leibkammerdieners Anton Legrenzi wurde die Villa zwischen 1853 und 1860, immer unterbrochen durch die Anwesenheit der kaiserlichen Familie im Sommer, im klassizistischen Stil umgebaut. Dabei wurden zwei Seitenflügel hinzugefügt, die gartenseitig mit offenen Laubengängen verbunden sind und der Villa ihren charakteristischen Grundriss in Form eines „E“ geben – eine galante Geste, so sagt man, an Kaiserin Elisabeth. Trotz aller Umbauten war es aber immer wichtig, dass die Villa den Charakter eines eher schlichten Landsitzes behält, ganz im Gegensatz zu den Prachtbauten in Wien. Der Hofstaat und sogar Staatsgäste wurden bewusst in den Gasthöfen und Hotels von Ischl untergebracht, um die private Atmosphäre zu wahren. Selbst Wirtschaftsgebäude wie Küche und Personalunterkünfte wurden diskret hinter Bäumen versteckt.
Der Kaiserpark Ein grünes Refugium
Was wäre eine kaiserliche Villa ohne einen gscheiten Park? Rund um die Kaiservilla entstand nach und nach ein weitläufiger Park, für den extra Grundstücke dazugekauft wurden. Gestaltet hat den weitläufigen Kaiserpark im Stil eines englischen Landschaftsgartens der kaiserliche Hofgärtner Franz Rauch. Mei, wenn ich durch den Park spaziere, mit seinen verschlungenen Wegen, den alten Bäumen und den romantischen Baumgruppen, dann kann ich mir gut vorstellen, wie der Kaiser und die Sisi hier Erholung gefunden haben. Rauch ergänzte geschickt den natürlichen Baumbestand durch exotische Pflanzen und schuf so eine wunderbare Atmosphäre. Zum Anwesen gehört auch der ganze Jainzenberg, auf den man raufwandern kann und von wo man einen herrlichen Blick über Ischl und die Bergwelt rundum hat – ein Platzerl, das der Kaiser auch gern für seine Jagdleidenschaft nutzte.
Das Marmorschlössl Ein Cottage für die Kaiserin
Ein ganz besonderes Juwel im Kaiserpark ist das sogenannte Marmorschlössl. Das ist ein charmantes Gartenhaus, ein Cottage, das Kaiser Franz Joseph für seine Elisabeth hat bauen lassen. Auch wenn es Marmorschlössl heißt, ist es nicht aus Marmor, sondern aus regionalem Kalkstein im englischen Tudorstil errichtet worden, was damals gerade sehr in Mode war und Sisis England-Begeisterung und ihre Freundschaft zur Queen Victoria widerspiegelt. Mit seiner Fassade aus rosagrauem Marmor (daher der Name) und der filigranen, mit Kletterpflanzen bewachsenen Veranda war es für die Kaiserin ein ganz persönlicher Rückzugsort. Hier konnte sie ungestört in den Park schauen, lesen oder dichten, abseits vom Hofzeremoniell. Innen war es übrigens auch prächtig, mit Holzschnitzereien und Parkettböden, die Motive aus der Nibelungensage zeigten. Heute ist im Marmorschlössl das Photomuseum des Landes Oberösterreich untergebracht. Ein weiteres Schmuckstück im Park ist der Verlobungspavillon, eine leichte Eisenkonstruktion im maurischen Stil, der an die Hochzeit der Kaisertochter Marie Valerie mit Erzherzog Franz Salvator im Jahr 1890 erinnert, die natürlich auch in Ischl gefeiert wurde.
Kaiserliches Leben in Ischl
Für Kaiser Franz Joseph war seine Sommerfrische in Ischl heilig. Fast jeden Sommer, meist von Anfang Juli bis Ende August, hat er hier verbracht – insgesamt soll er 82 Sommer in Ischl gewesen sein und 81 Geburtstage hier gefeiert haben! Die Anreise aus Wien war damals übrigens eine rechte Strapaze, über 50 Stunden mit Dampfer, Pferdeeisenbahn und Kutsche, wie man über die beschwerliche Anreise nachlesen kann. Sein Tagesablauf in Ischl war streng geregelt, oft ist er schon in aller Herrgottsfrühe zur Jagd aufgebrochen – seine große Leidenschaft. Davon zeugen auch die unzähligen Jagdtrophäen, die man gleich im Eingangsbereich und im Treppenhaus der Villa bewundern kann. Im Vergleich zu Schönbrunn oder der Hofburg wirkt die Einrichtung eher bescheiden, fast schon bürgerlich-gemütlich. Sogar die Privatgemächer sind nicht übermäßig groß, aber dafür sehr persönlich gestaltet. Im kaiserlichen Schlafzimmer fallen zum Beispiel die vielen Barometer auf, mit denen der Kaiser versucht hat, das oft wechselhafte Salzkammergut-Wetter vorherzusagen, um seine Jagdausflüge planen zu können. Ab 1889 traf er dann fast täglich seine Vertraute, die Schauspielerin Katharina Schratt, zum Frühstück – allerdings nicht in der Kaiservilla, sondern in ihrer eigenen Villa Felicitas in der Nähe. Trotz der scheinbaren Einfachheit war die Villa technisch fortschrittlich: Bereits 1890 gab es ein eigenes kleines Dampfkraftwerk, das die Villa mit elektrischem Strom versorgte.
Sisis Suche nach Freiheit in Ischl
Auch für Kaiserin Elisabeth war Ischl ein wichtiger Ort. Nach der Fertigstellung des Marmorschlössl 1861 verbrachte sie immer mehr Zeit hier, ab 1865 fast jeden Sommer mehrere Wochen bis zu ihrem tragischen Tod 1898. Sie schätzte die größere Freiheit, die sie hier im Vergleich zu Wien hatte. Stundenlang ist sie auf den Jainzenberg oder in die umliegenden Berge gewandert, hat gedichtet und sich erholt. Ischl war ja auch der Ort, wo sie und Franz Joseph sich 1853 kennengelernt haben und wo drei Tage später die Verlobung stattfand. Und es war auch der Ort, wo sie ihn zum letzten Mal gesehen hat, bevor sie nach Genf reiste, wo sie ermordet wurde. Die Kaiservilla birgt also nicht nur Erinnerungen an glückliche Sommertage, sondern auch an Momente von großer persönlicher Bedeutung für das Kaiserpaar.
Ein Ort von historischer Tragweite
Obwohl die Kaiservilla primär als privater Rückzugsort diente, ist sie untrennbar mit wichtigen Ereignissen der österreichischen Geschichte verbunden. Wie schon erwähnt, hat die kaiserliche Verlobung zwar nicht direkt in der Villa, aber doch in Ischl stattgefunden, was den Ort quasi zum Ausgangspunkt ihrer gemeinsamen Geschichte machte. Ischls Bedeutung reicht aber viel weiter zurück, schon 1466 wurde es von Kaiser Friedrich III. zum Markt erhoben und 1514 bestätigte Kaiser Maximilian I. das Wappen. Jedes Jahr am 18. August wurde in Ischl auch der Geburtstag des Kaisers groß gefeiert, was die enge Verbindung zwischen dem Monarchen und seinem Lieblingsort unterstreicht. Ischl war in diesen Wochen quasi das sommerliche Zentrum der Monarchie, auch wenn offizielle Staatsgeschäfte eher die Ausnahme waren und der Kaiser die Ruhe für die Jagd und Erholung bevorzugte.
Das Manifest An meine Völker
Doch die Idylle von Ischl sollte jäh zerstört werden. Im Sommer 1914, nach dem Attentat von Sarajevo, wurde die Kaiservilla zum Schauplatz einer Entscheidung, die die Welt veränderte. Am 28. Juli 1914 unterzeichnete der alte Kaiser Franz Joseph hier in seinem Arbeitszimmer im Westflügel der Villa das Manifest „An meine Völker!“ und damit die Kriegserklärung an Serbien. In diesem Manifest, das die Bevölkerung vom Krieg überzeugen sollte, wurde die Schuld dem „hasserfüllten Gegner“ zugeschoben. Es ist schon ein beklemmendes Gefühl, wenn ich in diesem Raum stehe und mir vorstelle, wie hier, an diesem eigentlich so friedlichen Ort, der Erste Weltkrieg seinen Anfang nahm. Zwei Tage später verließ der Kaiser sein „geliebtes Ischl“ – er sollte nie wieder zurückkehren.
Die Kaiservilla heute Lebendiges Erbe
Nach dem Tod von Kaiser Franz Joseph im Jahr 1916 ging die Kaiservilla an seine jüngste Tochter, Erzherzogin Marie Valerie, über. Durch ihre Heirat mit Erzherzog Franz Salvator blieb das Anwesen im Besitz der Familie Habsburg-Lothringen, und das ist bis heute so. Auch nach dem Ende der Monarchie 1918 blieb die Villa Privatbesitz. Heutiger Eigentümer ist Markus Emanuel Habsburg-Lothringen, ein Ururenkel des Kaisers, der Teile der Villa sogar selbst bewohnt. Das finde ich ganz besonders, dass das Erbe so lebendig weitergeführt wird. Die Villa steht mitsamt Park und Nebengebäuden unter Denkmalschutz. Der wunderschöne Park gilt als bedeutendes gartenarchitektonisches Denkmal Österreichs und war 2015 sogar ein zentraler Bestandteil der Oberösterreichischen Landesgartenschau „… des Kaisers neue Gärten“.
Authentizität und Besuchererlebnis
Was den Besuch in der Kaiservilla so einzigartig macht, ist ihre Authentizität. Vieles ist noch original erhalten, fast so, als wären der Kaiser und die Kaiserin gerade erst ausgegangen. Bei den Führungen, die oft sehr persönlich gestaltet sind – manchmal sogar von Mitgliedern der Familie Habsburg selbst –, bekommt man einen wunderbaren Einblick ins kaiserliche Leben. Man sieht die Jagdtrophäen, die eher schlichten Wohnräume, die Chaiselongue des Kaisers, die Hauskapelle mit Sisis Sterbekissen und natürlich das berühmte Arbeitszimmer, wo die Kriegserklärung unterzeichnet wurde. Immer wieder gibt es auch Sonderausstellungen, wie zum Beispiel die Präsentation von einem rätselhaften Sisi-Gemälde, das sie möglicherweise in ihrem Hochzeitskleid zeigt und erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt wurde. Das Fotografieren ist drinnen leider nicht erlaubt, aber im Park darf man natürlich Erinnerungsfotos machen. Die Villa ist aber nicht nur Museum, sondern wird auch für Veranstaltungen und Feiern vermietet. Sie ist ohne Zweifel eines der meistbesuchten Ausflugsziele in Oberösterreich und zieht Menschen aus aller Welt an, die ein Stück Habsburger Geschichte hautnah erleben wollen. Mehr Infos zu Öffnungszeiten und Führungen findet man übrigens auf der Webseite der Kaiservilla.
Mehr als nur ein Sommersitz
Wenn ich an die Kaiservilla denke, dann sehe ich nicht nur ein prächtiges Gebäude inmitten einer wunderschönen Landschaft wie hier in diesem besonderen Ort Bad Ischl. Ich sehe einen Ort, der wie kaum ein anderer für die Tradition der Sommerfrische in Österreich steht, eine Zeit, in der die Städter aufs Land zogen, um Erholung zu finden – und der Kaiser mittendrin. Die Villa verkörpert diesen Kontrast zwischen dem einfachen, naturverbundenen Leben, das sich der Kaiser hier gewünscht hat, und der enormen historischen Bedeutung, die dieser Ort durch die Ereignisse von 1914 bekommen hat. Es ist diese Mischung aus privater Idylle und weltgeschichtlicher Tragik, die die Faszination der Kaiservilla ausmacht. Sie ist ein lebendiges Zeugnis einer vergangenen Epoche, authentisch erhalten und bis heute im Besitz der Familie, die ihre Geschichte geprägt hat. Für mich als Schlossenthusiast ist jeder Besuch in der Kaiservilla eine Reise in die Welt der Habsburger, die mich immer wieder aufs Neue berührt und nachdenklich stimmt. Ein Ort, den man einfach erlebt haben muss.